Fünf Stunden Anreise für eine Testfahrt in einem Zug, in welchem man irgendwann eh mal viele Stunden verbringen wird? Klar!
Ich freute mich über die Einladung der Bahn, den neuen ICE "probezufahren". Zwei Aspekte der Bestätigung machten mir klar, dass es sich tatsächlich um einen Test handelt:
- "Da wir uns noch in der Testphase befinden, kann es passieren, dass noch nicht alles reibungslos verläuft. Wir bitten Sie hierfür um Ihr Verständnis. So haben sich auch die Fahrzeiten etwas nach vorne verschoben."
- Für die Strecke Hamburg - Hannover (üblicherweise gut eine Stunde Fahrtzeit) wurden über zwei Stunden eingeplant.
· 12:15 Uhr Treffpunkt zur Anmeldung am Hamburger Hauptbahnhof
· 12:49 Uhr Abfahrt ICE 4 nach Hannover Hauptbahnhof
- Rückblick auf die Entwicklung des ICE 4
- Erkundungstour durch den Zug
· 15:00 Uhr Ankunft Hannover Hauptbahnhof
- Snacks und Drinks im DB Casino
- Austausch mit Mitarbeitern aus dem Produktmanagement
Nach der Anmeldung am Gleis und Kennzeichnung der Passagiere mit Umhängebändern kam pünktlich der ICE. So ein wenig darf der sich aktuell noch wie ein Star vorkommen, zumindest wird er so fotografiert. Er hat für die Frontansicht Design-Preise gewonnen und angeblich (!) gilt er als die Angelina Jolie unter den Zügen. Nun ja...
Seit Mitte September hat er die nötige Zulassung und somit dürfen nun auch Passagiere befördert werden. Aktuell rollen noch Vorserienzüge durch die Republik. Sobald die Serienproduktion läuft, soll alle drei Woche ein neuer ICE geliefert werden. Die alten ICE 1 dürfen dann nach und nach verschwinden. Im direkten Vergleich ist der ICE 4 länger, schmaler und 100 Tonnen leichter. Mit 830 Sitzplätzen verfügt er über eine merklich größere Kapazität und er soll über 20 % weniger Energie verbrauchen. Das alles und noch viel mehr wurde vom Produktmanagement während der Fahrt erläutert.
Von außen gibt es eine klarere Kennzeichnung der Klassen, so dass man hoffen könnte, dass bei überraschender Ankunft "in umgekehrter Wagenreihung" das Chaos nicht mehr so groß sein wird.
Auf jeden Fall sollte man vermeiden, das Bordbistro passieren zu müssen. Zugunsten einer größeren Küche ist der Durchgang zum Nadelöhr geworden. Mit Gepäck und Gegenverkehr undenkbar.
Die beste Nachricht: Auf Abteile wurde in der 1. und 2. Klasse weitgehend verzichtet. Statt dessen gibt es wenige transparente Abtrennungen für Tischgruppen der ersten Klasse. Toll sind die mächtigen Kopflehnen in beiden Klassen. Da lässt sich gemütlich der Kopf anlehnen. In der ersten Klasse sind daran Leseleuchten verbaut.
Prominenter sind nun die Reservierungsanzeigen angebracht. An den Kopfstützen der erste Klasse gibt es Griffe. So sollte in Zukunft Fahrgäste sicherer durch den Zug kommen und die Kopfstützen schützen auch vor Rucksäcken und Handtaschen bzw. deren trampeligen Besitzern.
Der Sitzkomfort der 1. Klasse-Sitze hat mich noch nicht überzeugt. Mir scheint wegen der festen Schale lassen sie sich nicht mehr gar so weit zurücklehnen. Der Abstand zur Arbeitsfläche ist für Laptoparbeit dann aber gerade noch ok. In der ersten Klasse hat nun jeder Sitzplatz eine eigene Steckdose, in der 2. Klasse gibt es nur eine pro Doppelsitz.
Eine Herausforderung ist immer die Unterbringung des Gepäcks. In der ersten Klasse bieten die Sitzabstände und "Regale" durchaus Möglichkeiten.
In der zweiten Klasse gibt es wirklich große Abstellflächen, die wegen der engeren Gängen auch wirklich nötig sind.
Das Kinderabteil blieb erhalten; m. E. komfortabel ist der Familienbereich gestaltet.
An Rollstuhlfahrer wurde ebenfalls gedacht.
Toiletten und Bordrestaurant bieten keine Überraschung. Es scheint, als wäre der Wasserhahn und vor allem seine Wasserleistung nun besser geregelt als im ICE 3.
Ein Clou sind die Fahrradstellplätze. Reservierbar werden diese erst im Regelbetrieb sein aber auch hier wurde auf die Wünsche vieler Fahrgäste eingegangen.
Es war eine nette Idee der Bahn, mich einzuladen. Mein Feedback werde ich über den gewünschten Kanal geben. Aber ich gehe nicht davon aus, dass das Konzept dieses Zuges wesentlich geändert wird. Es müssen eben Kompromisse eingegangen werden und das ist mit dem ICE 4 m. E. gut gelungen. Aber merke: Nie falsch einsteigen bzw. nie versuchen, durch das Bordbistro mit Gepäck zu gehen.
Doch der richtige Spaß waren die Bahn-Nerds ("Wie viel Leistung haben die neuen Antriebe?") und die Bahnfahrer, die schon immer mal ihre Beschwerden loswerden wollten ("Die DB Lounge in Berlin ist immer voll, wenn ich mal rein möchte..."). Ich bewundere das Bahnpersonal.