Der Autor Ulrich C. Schreiber ist ein Geologie-Professor. Eines seiner Fachgebiete ist die Geologie des Westerwaldes. Da sein erstes Buch “Die Flucht der Ameisen” als Wissenschaftskrimi angepriesen wurde und mich der Hintergrund Vulkanismus rund um das Mittelrheintal interessiert, erwartete ich durchaus spannende Unterhaltung und noch ein wenig Horizonterweiterung.
Der Protagonist des Romans Gerhard Böhm ist ebenfalls Geologe und beschäftigt sich leidenschaftlich mit geologischen Exkursionen, die ihn u. a. in die Eifel, den Westerwald und ans bzw. ins Rheintal führen. Dabei folgt er Besonderheiten in der Bodenbeschaffenheit und stellt einen Zusammenhang zwischen diesen und dem Vorkommen von Ameisenhügeln fest (diese Idee verfolgt auch der Autor in der Realität). Böhm meint sogar aus dem Verhalten der Ameisen einen Vulkanausbruch vorhersagen zu können. Doch dann kommt es bereits zu dieser Katastrophe. Als Folgen des Ereignisses kommt es zur Bildung eines Lavadammes im Rheintal, welcher das Neuwieder Becken in eine Seenlandschaft verwandelt. Den Rest der Story schildere ich im nächsten Absatz, den potentielle Leser überspringen sollten.
“Die Flucht der Ameisen” beginnt recht verheißungsvoll. Doch bevor die Idee mit den Ameisenhügeln wirklich trägt, kommt es schon zum Vulkanausbruch. Auch dieser wird dann recht flott in den Hintergrund gerückt von den Folgen des Hochwassers, welches komplette Regionen überschwemmt. Anschließend wird kurz die Spur wertvoller Funde (vermeintlich der Nibelungenschatz) verfolgt. Bei Nachforschungen zu diesem Thema verunglückt Böhms Ex-Freundin tödlich, so dass anschließend einige familiäre Verwirrungen in den Mittelpunkt rücken. Böhm selbst gerät bei der Schatzsuche auch noch in Lebensgefahr, wird aber gerettet. Am Ende überwinden er und seine Frau die Ehekrise und der Lavadamm wird durch eine neuerliche Eruption weggesprengt und alles kann wieder gut werden.
Auf 300 Seiten werden also mindestens
- Wissenschaftskrimi
- Geologievorlesung
- Katastrophenroman
- Drama / Liebesgedöns
- Schatzsuche und
- Ameisengeschichte
miteinander kombiniert. Doch leider wurden diese Komponenten nicht sorgsam ineinander verwoben, sondern eher wie bei einem schlechten Remix aneinandergereiht. Dabei geht auch die anfänglich mühsam erarbeitete Spannung schnell verloren. Wenn Schreiber in seiner Lehrtätigkeit ähnlich strukturiert vorgeht, fühle ich mit seinen Studenten.
Ein Vulkanausbruch im Bereich Eifel / Westerwald kann irgendwann mal wieder vorkommen. Es bräuchte nicht viel Geschick eine Autors, auch eine daraus resultierende Hochwasserkatastrophe einigermaßen glaubhaft darzustellen. Gerade im Hinblick auf die aktuelle Restrisikopanik in Deutschland könnte eine solche Story wirklich ziehen (zumal Schreiber in seinem Buch auf die Folgen für die im Umkreis liegenden Atomkraftwerke eingeht). Aber dieses Potential wird mit “Die Flucht der Ameisen” ebensowenig gehoben wie der Nibelungenschatz. Das Buch erschien bereits 2006. Vor dem aktuellen Hintergrund würde sich der Autor vielleicht auf die Aspekte “Ameisen”, “Vulkanausbruch” und “Hochwasser” beschränken und daraus einen fesselnden Plot machen.