“Bon Iver” schwebt über den hinreichend erforschten Grenzen der üblichen Wahrnehmung aussagekräftiger Musik… um mit dem letzten Song unerfreulich gewöhnlich zu werden. Bis auf einen Song ist Vernon das “Upscaling” seiner Songwriterkunst wunderbar gelungen.
Auf leisen Sohlen sorgte Justin Vernon aka Bon Iver 2008 für viel Aufsehen. In fast allen Jahresbestenlisten war sein in einer isolierten Hütte entstandenes Debütalbum “For Emma, forever ago” zu finden. Ich anerkannte seine Fähigkeit, wunderbare Melodien zu erschaffen und diese wirken zu lassen. Allerdings war mir das Album zu reduziert und die Stimme über die komplette Spielzeit zu weinerlich. Die “Blood bank”-EP zeigte mir, dass Vernon durchaus kein verschrobener Langweiler ist und seine Zusammenarbeit mit Kanye West verleitete mich gar dazu, dessen Album “My beautiful dark twisted fantasy” zu erwerben.
Auf seinem Zweitwerk “Bon Iver” beweist Vernon nun, dass seine Kunst durchaus skalierbar ist und dass seine Melodien und Stimmungen auch komplette Orchester beschäftigten können. Die im Vergleich zum Vorgängeralbum umfangreichere Instrumentierung entschärft die Dominanz von Vernons Gesang und steigert für mein Empfinden die Wirkung der Songs. War “For Emm, forever ago” ein stimmungsvoller 8mm-Film, so bietet “Bon Iver” das Breitwand-Kinoerlebnis.
In genialen Momenten entstehen so Indiefolk-Songs wie “Tower”, “Calgary” und “Perth”. In guten Momenten kommen zumindest noch akzeptable Coldplay-Songs ("Hinnom, TX") heraus. Doch beim letzten Song "Beth/Rest” geht die Pop-Anbiederung zu weit. Selten habe ich einen derart unwürdigen Abschluss für ein ansonsten wundervolles Album gehört. In einer Endlosschleife laden die ersten acht Songs zu einer nicht enden wollenden Reise durch und in Vernons Welt ein. Diese Einladung sollte jeder Fan solider Songwriter-Kunst annehmen.
Das Video zum Song “Calgary”:
“Bon Iver” ist: