Eines der interessantesten Alben des Jahres .
John Grant zeigt Eigenschaften eines Schwamms: Er saugt alles auf. Und noch dazu hat er viel erlebt. In Michigan geboren, zog er im Alter von zwölf Jahren nach Colorado. Nach der High School ging es ein Jahr nach Deutschland. Für die erhoffte Tätigkeit als Dolmetscher reichten seine Sprachkenntnisse aber nicht aus. Nachdem er Russisch gelernt hatte (das erklärt die Passagen in dieser Sprache auf dem aktuellen Album), wurde er später Krankenhausdolmetscher. In der jüngeren Vergangenheit agierte er übrigens wieder als Dolmetscher: Er übersetzte 2013 das Album “Dýrð í dauðaþögn” des Isländers Ásgeir Trausti in die englische Sprache.
Persönlich hat er Erfahrungen gemacht, die man auch erst einmal wegstecken muss: Seine Homosexualität passte nicht zur streng religiösen Einstellung seines Elternhauses. HIV-Erkrankung, Drogen- und Alkoholabhängigkeit gingen wohl ebenfalls nicht spurlos an ihm vorüber. Nimmt man seine Musik als Maßstab, geht er mit all diesen Tatsachen inzwischen souverän bis sarkastisch um. Er erscheint mit jedem Solo-Album selbstbewusster aufzutreten.
Musikalisch begann er ohne größeren Erfolg bei der Band The Czars. Doch auf diesem Weg wurde die Band Midlake auf Grant aufmerksam. Diese unterstützte ihn bei den Aufnahmen zu seinem Solo-Debüt “Queen of Danmark”. Für sein zweites Solo-Werk zog es den sprachbegabten Amerikaner nach Reykjavík. Mit Biggi Veira von GusGus nahm er “Pale green ghosts” auf. Anschließend interpretierte er seine Songs für “Live in concert” noch mit dem BBC Philharmonic Orchestra.
Auch andere Künstler scheinen seine Arrangements und / oder seine Stimme zu schätzen: Für seine “Gets schooled” EP konnte er u.a. Sinead O'Connor, Beth Orton und die Villagers als Gäste gewinnen. Darüber hinaus musizierte er bereits mit Elton John, Hercules & Love Affair und Goldfrapp.
Und auf dem dritten Solo-Album “Grey tickles, black pressure” fließt nun alles zusammen (bzw. aus dem Schwamm heraus), was Grant über die Jahre aufgesogen hat: Ein paar ruhige, nachdenkliche Nummern, nicht selten mit ironischem bis komödiantischem Beigeschmack (z. B. der Titelsong), treibende Electro-/ Dance Songs (“Voodoo doll”, “Disappointing”), Orchester/Streicher (z. B. “Geraldine” und Gastsänger (Tracey Thorn auf “Disappointing”). Mit dem Produzenten John Congleton hat Grant ein starkes Album aufgenommen welches souverän über Genre-Grenzen schwebt und andeutet, was von diesem Künstler noch zu erwarten ist. Irgendwie kommt mir gerade David Byrne in den Sinn… nur hat Grant eben die bessere Stimme.
Das Video zu “Disappointing”:
John Grant auf deutschen Bühnen im November
- 24.11. Köln
- 25.11. Hamburg
- 26.11. Berlin
“Grey tickles, black pressure” klingt nach: