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Sonntag, 15. März 2020

Buch: Yangsze Choo - Nachttiger

























Märchenhafte Spannung. 

Yangsze Choo hat chinesische Vorfahren und ist Malaysierin. Als Diplomatentochter prägten Umzüge ihre Kindheit, sie lebte in Japan, Deutschland, auf den Philippinen und in Thailand. 
Nach ihrem Harvard-Studium arbeitete sie als Consultant und in einem Start-Up. Inzwischen hat es sie mit ihrem Mann und zwei Kindern nach Kalifornien verschlagen. "Nachttiger" ist ihr zweiter Roman. 

Dieser versetzt den Leser nach Britisch-Malaya in den 30er Jahren. Sowohl der Ort als auch die Zeit wirkten auf mich doppelt exotisch und machten mich ebenso neugierig wir das ansprechend gestaltete Buch an sich. Auf dem Sterbebett erteilt ein aus England stammender Arzt seinem chinesischen Houseboy Ren einen letzten Auftrag: Gemäß dem Aberglauben der Einheimischen muss spätestens 49 Tage nach dem Tod der vollständige Körper beerdigt sein. In diesem Fall ist das eine Herausforderung, denn diesem Arzt wurde ein Finger amputiert. So macht sich Ren auf die Suche nach dem Finger. 

Einen solchen über hat die angehende Schneiderin Ji Lin. Im Rahmen einer Nebenbeschäftigung kommt sie nämlich ungefragt in den Besitz eines amputierten Fingers. Bis Ren und Ji Lin zusammenfinden, sind einige Hürden zu überwinden. Stellenweise schafft es der Roman, einige mysteriöse Plots anzudenken. Gerade die Verknüpfung mit einem umherstreifenden Tiger und die Idee von "Wertigern" hätte "Nachttiger" durchaus zu einem recht abgefahrenen Leseerlebnis werden lassen können. Die Absprünge in eine mehrere Personen verbindende Traumwelt gibt dem Leser Raum für Spekulationen. Bei weitem nicht alle Mysterien werden erklärt oder zu Ende gesponnen, denn irgendwann wird die Geschichte wieder in weitgehend realistische Bahnen gelenkt. 

Ich fühlte mich durch "Nachttiger" auf überwiegend fesselnde Art in die Zeit und nach Britisch-Malaya entführt. Choo versteht es, die Spannung subtil aufzubauen und mich mühelos über 550 Seiten bei der Stange zu halten. Leser sollten sich zumindest ein Stück weit für Asien interessieren und sich nicht von dem durchgehen präsenten Aberglauben abschrecken lassen. Unter diesen Voraussetzungen steht einer stellenweise märchenhaften und spannenden Lesereise in eine fremde Welt nichts mehr im Weg. Außer vielleicht der aktuell erschwerte Weg in die Buchhandlung, aber es gibt ja auch gesichert virenfreie Alternativen zur Beschaffung.