Die Jahresbestenlisten sind noch nicht geschrieben.
Bei den unzähligen Shoegaze-Veröffentlichungen der letzten beiden Jahre habe ich eine Aversion gegen Künstler entwickelt, die diesem Teil der Musikgeschichte weitere Kapitel hinzufügen meinen zu müssen. Daher stimmte mich der Titel "Stargazing for beginners" skeptisch: Klar, Sterne sind potentiell spannender und vielfältiger als Schuhe, aber "gazing" klingt nun mal bedrohlich passiv.
Der Opener "Into the night" beginnt noch verhalten, aber wenig später entführen Indie-Klänge und Jacob Scotts markante Stimme in vertraute Atmosphären. Mit "My own mind" folgt direkt darauf ein starker Titel um den Weg zu bereiten für den anschließenden Hit "Someday". Schon nach drei Titeln fühlte sich dieses Album an wie eine neue Bekanntschaft, die sich sofort vertraut anfühlt. Das Niveau dieses Starts kann "Stargazing for beginners" nicht halten, aber mit "Animal tongue" folgt noch mindestens ein weiteres Highlight.
Hinter diesem Werk steht die englische Band Pale Seas. Dieses Debüt sollte eigentlich schon vor zwei Jahren erscheinen: Als Vorgruppe von The War On Drugs und mit aussichtsreicher Präsenz im Radio war der Weg geebnet. Doch die Band zog die Reißleine und sich noch einmal zurück ins Studio. Mit dem The Verve-Produzenten Chris Potter (der u.a. auf "Urban hymns" mitarbeitete) nahmen sie auf der Isle Of Wight ein intensives Album auf, welches für mich einen der Indierock-Lichtblicke des Jahres 2017 darstellt. Obwohl "Lichtblick" der dunklen Stimmung und den stellenweise bedrückenden Lyrics nicht ganz gerecht werden kann. Die Songs wurden meist mitten in der Nacht aufgenommen und nach Möglichkeit in einem Take.
Als Referenzen werden u. a. Neil Young (vermutlich wegen einer entfernten Ähnlichkeit der Stimme), PJ Harvey und Elliot Smith genannt. Wegen der androgynen Stimme fühle ich mich an JJ 72 und Cigarettes After Sex erinnert. "Cigarettes After Sex mit etwas Elan" ist ein passender Vergleich.
"Into the night" und "Blood return":
"Stargazing for beginners" ist: