Melancholische Einblicke in das Leben im Ruhrgebiet für Menschen aus dem Ruhrgebiet.
Seit ein paar Jahren führen mich meine Wege immer mal wieder durch das oder gar in das Ruhrgebiet. Ich meine so einen ersten Eindruck vom speziellen Charme der Region oder vielmehr der Menschen dort bekommen zu haben. Das machte mich neugierig und "Marschmusik" erschien mir als gute Quelle, mein Verständnis zu vertiefen.
Der Autor Martin Becker wuchs im Sauerland auf und lebt in Leipzig. Seit zehn Jahren veröffentlicht er Bücher, außerdem ist er als Journalist und Hörbuchautor tätig.
In "Marschmusik" schickt er den Protagonisten auf eine gleich vielfache Reise in den Ruhrpott. Mehrere Erzählstränge werden aufgebaut, um verschiedene Perspektiven zu bieten. Da ist der "geflohene" Sohn, der seine Mutter in seiner alten Heimat besucht und diesen (und vorherige) Besuche als beklemmend wahrnimmt. Durch Rückblicke begleitet man ihn beim Erwachsenwerden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die angestrebte Karriere als Posaunist.
Außerdem wird geschildert, wie sich seine Eltern kennengelernt haben und wie sie zur Familie wurden. Darüber hinaus taucht stellenweise "Hartmann", ein Kumpes seines verstorbenen Vaters auf. Er provoziert und motiviert den Protagonisten zur Beschäftigung mit dessen Herkunft und Wurzeln. Zu dieser Aufarbeitung gehört auch ein Besuch in einem Stollen.
Zweifellos erzeugt und transportiert Becker mit diesem Buch Stimmungen und Melancholie. Vermutlich funktioniert das Werk daher gut bei Menschen, die tatsächlich im Ruhrgebiet lebten und leben. Meine Erwartungen an das Buch wurden nur ansatzweise erfüllt. Entweder unterscheiden sich im Ruhrgebiet verbrachte Kindheit und Jugend nicht wesentlich von denen in anderen Teilen Deutschlands oder Beckers Schilderungen geben einfach nicht genug davon wieder. Die parallele Darstellung von Erzählsträngen kann Spannung erzeugen oder verschiedene Sichtweisen offenbaren. In "Marschmusik" leistet sie weder das eine noch das andere.