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Sonntag, 4. September 2016

Buch: Saša Stanišić - Der Fallensteller


























Ein Lesegenuss für Menschen, die nicht nur unterhalten werden möchten. 

Auf Saša Stanišić stieß ich, weil seine Erzählweise außerordentlich gelobt wurde. Ich wollte mir nicht vorstellen, dass ein Autor mich allein aufgrund seiner Ausdrucksweise beeindrucken könnte. Doch dann stieß ich in dem Buch auf Sätze (!) wie diesen:
"Der Pizzaalbaner mit Turmkochmütze lässt sich von Mo fotografisch nicht festhalten, protestiert erst: vornehm, sodann, als Mo mit der Kamera in sein Steinofenheiligtum eindringt: wüst, reißt sich seine verführerische Pizzaalbanermütze vom Schädel, will Mo gar den Apparat aus der Klaue hauen, oder tut bloß derart, indem er mit seinem Fuchtelarm: tuntig, gleichwohl nicht ungefährlich!, vor Mos Angesicht fuchtelt, sodass Mo weichen muss, auf den fettigen Fliesen ins Ausgleiten gerät und bei höchster Komplikation in der Manier einer dreizehnjährigen rumänischen Bodenturnerin sensationell mit einem knappen Auf-den-Beinen-Verbleiben den Fliesen den Kuss verweigert." (Aus: "Mo klaut ein surrealistisches Gemälde einer syrischen Surrealistin und will es seinem Vater verkaufen, bzw. egal wem")
Und so überrascht mich ein aus Bosnien-Herzegowina stammender Autor in meiner Muttersprache. Ähnlich viel Spaß hatte ich mit Werken der Autoren Ephraim Kishon und Arto Paasilinna. Bei diesen war mangels meiner Sprachkenntnisse auf die Übersetzungen angewiesen. Da fühle ich mich Stanišić direkt ein Stück näher. So interessant und augenzwinkernd seine Geschichten in "Der Fallensteller" auch sind, sie treten ein Stück hinter das Vergnügen allein mit der Ausdrucksweise des Autors zurück. Das mag vielleicht auch der Tatsache geschuldet sein, dass es sein bei "Der Fallensteller" um eine Sammlung von meist kurzen Erzählungen handelt, von denen einige aufeinander aufbauen.  Es gibt auch Zusammenhänge zum Roman "Vor dem Fest". Vielleicht sollte ich mich diesem auch noch widmen. Wie sonst soll man etwas über das Leben in einem Dorf in der Uckermark erfahren?

Den Kern des Buchs bildet die knapp 90 seitige titelgebende Erzählung. Aus ihr stammen auch diese kleinen Highlights:
"Und 'Lämmchen' ist- wenn es sich um ein tragisches handelt - in der deutschen Sprache derart mit Traurigkeit umwoben wie höchstens noch die Wortfolge. "in Sachsen-Anhalt Weihnachten allein verbringen als alte Frau."
"Ehrliche Menschen verkleiden sich nicht, siehe Rheinland. Den Rheinländern kannst du eigentlich überhaupt nicht trauen, die verkleiden sich permanent, und es ist auch kein Wunder, dass es bei denen die wenigsten Selbstmörder gibt, die betrügen sogar sich selbst mit ihrem Optimismus."

Für die Lektüre des Buches ließ ich mir ungewöhnlich viel Zeit, weil ich den Lesegenuss "strecken" wollte. Ich empfehle "Der Fallensteller" allen, die mal wieder richtig Spaß an und mit der deutschen Sprache haben möchten. Dieser kommt in Tweets und anderen Beiträgen in sozialen Netzwerken ja doch meist zu kurz.

Diesen Monat werden zwei Lesungen mit dem Autor veranstaltet:

  • 14.09. Geisenheim
  • 15.09. Kassel